Plenarwoche: Landesregierung begeht Wortbruch an hessischen Bürgern
- Gigantischer Schuldenberg vorbei an Verfassung und Parlament
- Digitalisierung muss Schwerpunkt der Hochschulpolitik werden
- Der Kranich soll wieder fliegen – Staatsbeteiligung aber falscher Weg
- Betretungsverbot von Kitas sofort aufheben
WIESBADEN – In der regulären Plenarwoche des Hessischen Landtags im Juni 2020 lag der Fokus trotz gegebener Themenvielfalt auf der durch die Corona-Maßnahmen entstandenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise in Hessen. Es kam zu scharfen Auseinandersetzungen, als die aus CDU und Bündnis90/Die Grünen bestehende Landesregierung versuchte, die in der Hessischen Verfassung verankerte Schuldenbremse mittels eines Gesetzes auszuhebeln während FDP und SPD einen Kompromiss in Form von regelmäßig zu überprüfenden Nachtragshaushalten vorlegten. Ziel der Landesregierung und der Regierungsfraktionen ist es nun, das umstrittene „Sondervermögen“ zur Bewältigung der Corona-Krise – also einen vollständig kreditfinanzierten Schattenhaushalt in Höhe von 12 Milliarden Euro – anlegen zu können, ohne den für eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlichen Kompromiss mit der Opposition zu suchen. Dieses Manöver, die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments für Ausnahmen von der Schuldenbremse durch eine Gesetzesänderung zu umgehen, stieß auf die entschiedene Ablehnung der Freie Demokraten.
„Wir Freien Demokraten sehen durchaus die Notwendigkeit, den wirtschaftlichen Einbruch und die sozialen Verwerfungen der Bekämpfung von Corona schnell und konsequent zu mildern“, betonte René ROCK, Vorsitzender der Freien Demokraten im Hessischen Landtag. „Genau aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten vorgeschlagen, in diesem Jahr 4,5 Milliarden Euro zur Bewältigung der Krise zur Verfügung zu stellen. Wir wollen die hessischen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Vereine in diesem Corona-Jahr damit stärker unterstützen als es die Landesregierung in ihren Plänen vorsieht“, erklärte Rock. „Weil wir die Konjunkturrücklage von einer Milliarde Euro auflösen und Minderausgaben realistisch einschätzen, können wir die Neuverschuldung trotz höherer Corona-Ausgaben gegenüber den Plänen der Landesregierung um 600 Millionen Euro absenken.“
Rock unterstrich: „Wir setzen dort an, wo die Pandemie Schäden verursacht, Entwicklungen beeinträchtigt und Chancen zerstört. Schwarz-Grün hingegen hält stur an der Schaffung eines Zwölf-Milliarden-Fonds aus Schulden fest. Damit ist für uns klar: Der Landesregierung geht es nicht darum, sinnvolle Hilfe zu finanzieren. Schwarz-Grün geht es allein darum, die Gunst der Stunde zu nutzen, um – finanziert durch einen gigantischen Schuldenberg – eigene politische Projekte durchzudrücken, die mit dem Corona-Virus rein gar nichts zu tun haben. Auch der Landesrechnungshof sowie der Bund der Steuerzahler sehen die Bildung eines Sonderschuldenfonds kritisch.“
Besonders empörend ist für die Freien Demokraten, dass nun die in der Hessischen Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse ausgehöhlt und die Zwei-Drittel-Mehrheit für die Aussetzung abgeschafft werden soll. „Weil Schwarz-Grün keine Argumente haben, ändern sie kurzfristig die Spielregeln“, kritisierte Rock. Die Schuldenbremse wird faktisch für die gesamte Regierungszeit ausgesetzt. Der Dammbruch ist erfolgt und die Grünen haben durchgesetzt, was sie schon immer wollten, während die CDU jede Glaubwürdigkeit verliert. Der politische Kniefall vor den Grünen ist ein Sündenfall und das Ende einer seriösen, soliden und generationengerechten Politik. Der damalige und heutige Ministerpräsident hat aktiv für die Schuldenbremse in der Verfassung geworben, und die Bürgerinnen und Bürger haben mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Die Festschreibung der Zwei-Drittel-Mehrheit ist eine entscheidende Hürde um sicherzustellen, dass der Wille des Volkes respektiert wird. Das wird nun ins Gegenteil verkehrt. Mit ihrer Entscheidung begeht die CDU Wortbruch.“
Mit ihrem Setzpunkt zur Stärkung der digitalen Lehre an hessischen Hochschulen haben die Freien Demokraten die Dringlichkeit unterstrichen, die Hochschulen finanziell und konzeptionell bei der Digitalisierung der Lehre zu entlasten. In kürzester Zeit mussten aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen Lehr- und Studienangebote digital organisiert werden, diese Leistung benötigt die Unterstützung des Landes Hessen. „Die Digitalisierung der Lehre an unseren Hochschulen muss zu einem Schwerpunkt hessischer Hochschulpolitik werden“, forderte Rock. „Die Möglichkeiten, Vorlesungen im Live-Stream zu übertragen oder aufzuzeichnen und Video-Konferenzen abzuhalten sind enorm wichtig geworden. Auch hier ist der Rückstand bei der Digitalisierung offensichtlich. Probleme zeigen sich dabei vor allem bei der Bereitstellung von Lizenzen, leistungsfähigem Internet und der technischen Ausstattung von Vorlesungssälen und Seminarräumen. Dieser Crashkurs in Digitalisierung war und ist für die Hochschulen eine Herausforderung. Wir Freien Demokraten fordern daher die Landesregierung auf, die Hochschulen beim Ausbau der digitalen Lehre angemessen zu entlasten und ausreichend Mittel aus dem Nachtragshaushalt bereitzustellen. Die für das Jahr 2020 vorgesehenen Mittel des Digitalpakts in Höhe von acht Millionen Euro reichen hierfür bei weitem nicht aus, auch die in Aussicht gestellte Corona-Kompensation von drei bis vier Millionen Euro ist zu wenig. Es geht um Konzepte und Programme jenseits des Corona-Krisenhorizonts“.
Nirgendwo wird die Krise der hessischen Wirtschaft als Folge der Corona-Maßnahmen deutlicher als an der Lufthansa und an Fraport. „Mit diesen beiden hart getroffenen Unternehmen steht ein Großteil der hessischen Arbeitsplätze auf dem Spiel“, warnte Rock. „Die Lufthansa ist Teil der hessischen DNA, sie ist ein starkes Unternehmen und hat, ebenso wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Solidarität und Hilfe verdient. Zumal sie ein profitables Unternehmen ist, das unverschuldet in Not geraten ist. Doch die Art der Staatshilfe, die die Bundesregierung vorgelegt hat, halten wir für falsch. Anstatt der Lufthansa einen Kredit über neun Milliarden Euro in der Not zu geben oder eine stille Beteiligung zu zeichnen, glaubt der Staat erneut, der bessere Unternehmer zu sein und will sich mit knapp 20 Prozent beteiligen. Die Staatsbeteiligung ist für uns Freie Demokraten ein Irrweg. Deshalb fordern wir auch stattdessen Maßnahmen wie die Abschaffung der Luftverkehrssteuer, verbesserte Sicherheitskontrollen, Schnelltests, differenzierte Quarantäne-Regeln, bessere Start- und Landerechte und –tarife sowie synthetische Kraftstoffe in industriellen Mengen. Frankfurt soll der größte Verkehrsknotenpunkt in Europa bleiben und die Lufthansa die beste Airline.“
Das Betretungsverbot der Kindertagesstätten muss wie bei den Grundschulen ab sofort aufgehoben werden. Dies forderte die Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag mit einem Antrag und verwies darauf, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus enorme Auswirkungen auf das Leben der Kinder in Hessen haben. „Es kann mir niemand ernsthaft begründen, weshalb unsere Kinder zwar in die Grundschule, aber nicht in die Kita gehen dürfen. Maßnahmen für Hygiene, Abstand, kleine Gruppen und Tests können für die Kitas genauso entwickelt und umgesetzt werden wie für die Grundschule. Wenn wir bis zum 6. Juli 2020 oder gar noch länger warten, hat ein Großteil der Kinder knapp vier Monate lang keine Kita besucht“, warnte Rock. „Hier geht es um das Recht der Kinder auf Bildung und um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Wiederaufnahme des Regelbetriebs unter Corona-Bedingungen lässt sich sehr wohl organisieren. Dazu gehören die Erarbeitung und regelmäßige Anpassung eines Musterhygieneplans, regelmäßige Tests von Erzieherinnen und Erziehern sowie ein pädagogisches Musterkonzept, das die Kitas dabei unterstützt, die Rückkehr in die neue Normalität kindgerecht zu begleiten. Wir müssen alles tun, damit die Corona-Krise nicht zur Bildungskrise wird. Die massiven Versäumnisse der letzten Jahre wie der anhaltende Fachkräftemangel und die unzureichende Zahl vergüteter Ausbildungsplätze werden jetzt sehr deutlich sichtbar werden. All dies ist ein Wachruf für Sozialminister Klose: Es wäre dringend an der Zeit, zu hören und zu handeln.“