Plenarwoche: „Es liegen gewaltige Aufgaben vor uns“
- Leben der Menschen hat oberste Priorität
- Landtag bleibt auch in Krise handlungsfähig
- Nachtragshaushalt muss Wucht der Krise abmildern
- Berufliche Existenzen stehen auf dem Spiel
WIESBADEN – Es war ein besonderer Plenartag im Hessischen Landtag: Statt einer viertägigen Plenarwoche zur Aufarbeitung der ja bereits durch den Anschlag in Hanau verkürzten Parlamentssitzung vom Februar, trafen sich die Fraktionen in einer dem Corona-Virus geschuldeten Krisenatmosphäre. Die Pandemie mit Ausgangs- und Arbeitsbeschränkungen sowie strikten Abstands- und Hygienevorschriften hatte am 24. März 2020 eine nur eintägige Notsitzung des Parlaments erforderlich gemacht.
Das Parlament blieb handlungsfähig, gerade auch bei den wichtigen Entscheidungen zum Nachtragshaushalt für die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Krise. „Gerade in Krisenzeiten hat das Parlament den wichtigen Auftrag, als Legislative die Regierung zu unterstützen und zu begleiten“, sagte der Vorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, René ROCK. Im Mittelpunkt dieser besonderen Plenarsitzung standen die Regierungserklärung von Ministerpräsident Volker Bouffier zur Corona-Krise und der Beschluss eines Nachtragshaushalts für die geplanten Soforthilfen.
Die Freien Demokraten stimmten gemeinsam mit CDU, Grünen und SPD, dass im ersten Schritt rund zwei Milliarden Euro zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie zur Verfügung gestellt werden. Rock bekräftigte die ernste Lageeinschätzung der Regierungskoalition aus CDU und Bündnis90/Die Grünen und die Unterstützung der Freien Demokraten für alle Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionskette und zur Unterstützung der Menschen, die um ihre finanzielle und berufliche Lebensgrundlage fürchten. „Es liegen gewaltige Aufgaben vor uns. Es besteht für mich kein Zweifel daran, dass wir alles tun müssen, um Menschenleben zu retten. Hessen steht in dieser historischen Zäsur zusammen, wir werden der Landesregierung den Rücken stärken“, sagte Rock.
In Bezug auf die medizinische Versorgung der Menschen betonte Rock: „Wir brauchen Schwerpunkt-Krankenhäuser, wie es der Pandemie-Plan verlangt.“ Ebenso seien mit den Kliniken vernetzte regionale Schwerpunktpraxen sowie dringend mehr Schutzkleidung für Medizin- und Pflegepersonal erforderlich. Die Freien Demokraten nehmen darüber hinaus die hessische Wirtschaft in den Blick, für die sie einen Schutzschirm und schnelle, unbürokratische Hilfe fordern und eine Reihe konkreter Maßnahmen vorgeschlagen haben. „Die Pandemie hat die Wirtschaft brutal zum Stillstand gebracht. Hunderttausende berufliche Existenzen stehen auf dem Spiel“, sagte Rock und nannte als Beispiele unter anderem geschlossene Geschäfte und Restaurants sowie den stark reduzierten Luftverkehr. „Diejenigen, die jetzt wirtschaftlich unverschuldet von der Krise getroffen werden, brauchen eine Garantie: Bis zum 1. April müssen sie durch die Finanzämter Geld bekommen“, forderte der Fraktionschef.
Für den geplanten Rettungsschirm der Hessischen Landesregierung hat der Landtag zur Bewältigung der Gesundheitsversorgung und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise einen Nachtragshaushalt in Höhe von 2 Milliarden Euro genehmigt. Der Bürgschaftsrahmen des Landes wurde auf 5 Milliarden Euro erweitert und steuerliche Hilfen wird es in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden Euro geben. „Diese Maßnahmen unterstützen wir“, betonte Rock. „Aber wir erwarten auch eine Prüfung, ob nicht Einsparungen in anderen Bereichen zusätzlich den Haushalt stützen könnten. „Das Haushaltsrecht ist ein Königsrecht des Parlaments“, sagte Rock. „Deshalb tragen wir den Nachtragshaushalt und die Neuverschuldung des Landes mit der Auflockerung der Schuldenbremse mit, um die Wucht der Krise abzumildern. Es ist aber auch Teil unserer Verantwortung, den Mitteleinsatz parlamentarisch aufmerksam zu begleiten. Wir vermissen hier eine klare Aussage der Landesregierung und des Finanzministers, wie mit der Verabschiedung des Nachtragshaushalts die Bewirtschaftung des Gesamthaushaltes im Krisenmodus weiter von statten geht. Es wäre fatal, sich jetzt vom Landtag einen Blankoscheck über zusätzliche Mittel in Höhe von 11 % des Gesamthaushalts zu holen, ohne eigene Anstrengungen der Einsparung bisher für 2020 geplanter Ausgaben anzugehen.“
Angesichts der mangelnden Beteiligung an den Wahlen zu den Ausländerbeiräten will die Regierungskoalition aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen in einem Gesetzentwurf eine Verbesserung der politischen Teilhabe an der Kommunalpolitik durch die Änderung kommunal- und wahlrechtlicher Vorschriften erreichen. Ziel des in der zweiten Lesung erörterten Gesetzes ist ein sogenanntes Optionsmodell, das Kommunen, die bisher verpflichtet waren, Ausländerbeiräte wählen zu lassen, die Möglichkeiten geben soll, Integrationskommissionen mit Antragsrecht einzusetzen. „Politische Partizipation durch Wahlen ist demokratische Wertschätzung. Der Ersatz von gewählten Ausländerbeiräten durch eine eingesetzte Integrationskommission nicht“, begründete Rock seine Ablehnung des Gesetzentwurfs. „Der Gesetzentwurf stärkt eben nicht die Teilhabe, sondern er begrenzt sie. Wir haben in jüngster Zeit viel darüber debattiert, wie wir die Demokratie für unsere Nicht-EU-Mitbürger stärken und Extremismus bekämpfen können. Wir haben so vielen ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für ihren unermüdlichen Einsatz während der Corona-Krise zu danken, in der Pflege und in vielen anderen Bereichen. Diesen Menschen nimmt der Gesetzentwurf die Möglichkeit, sich an der direkten Demokratie zu beteiligen. Und das, obwohl die Betroffenen – von der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen bis zu den Kirchen – die Pläne von Schwarz-Grün ablehnen“. Für die Freien Demokraten ist die geringe Beteiligung an den Wahlen von Ausländerbeiräten kein Grund, sie abzuschaffen, sondern ein Grund, den Dialog aufzuwerten und an der Wahlbeteiligung zu arbeiten. „Machen wir die Wahllisten voll und motivieren wir die Menschen, sich einzubringen“, forderte Rock.
In der Corona-Notsitzung wurde auch ein von allen Fraktionen eingebrachtes Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Hessischen Landtags (Hessisches Untersuchungsausschussgesetz – HUAG) beraten. „In der Hessischen Verfassung ist das Recht des Parlaments, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, verankert. Nun schaffen wir es, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das Zusammensetzung, Arbeitsweise, Befugnisse und den Ablauf der Untersuchung klar regelt“, sagte Rock. „Es ist bemerkenswert, dass es insgesamt gelungen ist, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Regierungs- und Oppositionsfraktionen zu finden. Bestes Beispiel ist die Regelung, dass sich bei aufeinanderfolgenden Regierungs- und Oppositionsfraktionen bei der Stellung des Vorsitzes abwechseln. Das ist ein Novum für Hessen. Mit den klaren Regelungen des HUAG dürften Streitigkeiten zum Verfahrensablauf, die es in der Vergangenheit immer wieder gab, Geschichte sein, und zukünftige Untersuchungsausschüsse können sich voll und ganz auf den Untersuchungsauftrag konzentrieren.“